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Abwertung von Asylbewerber*innen

Kurzdefinition:

Die Diskriminierung von Asylbewerber*innen und Geflüchteten betrifft Menschen, die aus diversen Gründen aus ihren Herkunftsländern fliehen mussten. Bei diesen Formen der Ausgrenzung und Abwertung spielen Kategorien wie Herkunft, Hautfarbe sowie religiöse und kulturelle Zugehörigkeit eine wesentliche Rolle. Des Weiteren ist die Diskriminierung von Geflüchteten und Schutzsuchenden eingebettet in einen neoliberalen politischen Migrationsdiskurs, der holzschnittartig zwischen „guten Flüchtlingen“ und „schlechten Wirtschaftsmigrant*innen“ unterscheidet. Im Zentrum dieser populistischen und rassistischen Debatte steht oftmals die Frage, ob die Geflüchteten im Ankunftsland eine Belastung für den Sozialstaat darstellen.


Zitat:
„Vor dem Hintergrund massiver innergesellschaftlicher und innerparteilicher Auseinandersetzungen, zahlreicher Pogrome und migrantischer Opfer gelang es Akteur_innen des konservativen Hegemonieprojekts, den in der Krise des Fordismus aufbrechenden migrationspolitischen Kompromiss in populistischer Weise für eine rassistische Mobilisierung latent vorhandener Ressentiments und Abstiegsängste der autochthonen Bevölkerung zu nutzen und somit eine gängige Strategie für die ‚konservative Transformation des Wohlfahrtsstaates‘ auch in der Bundesrepublik einzusetzen. Die Massivität und Polarisierung dieser Auseinandersetzung lastet seither wie ein Alb auf der bundesdeutschen Migrationspolitik und prägt ihren Grundkonsens.“

(Kannankulam 2014: 111)



Erläuterung:

Spätestens mit dem long summer of migration im Jahr 2015, der im Einwanderungsland Deutschland die Aufnahme von Menschen mit Fluchtbiografien sah, rückten im migrationspolitischen Diskurs populistische und emotional aufgeladene Schlagworte wie „Asyltourismus“, „Asylmissbrauch“ und „Anti-Abschiebe-Industrie“ in den Mittelpunkt. Die gezielt geschürten Überfremdungs- und Bedrohungsängste mündeten in progromartige Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte in Tröglitz, Freital und Heidenau, so dass Erinnerungen an die Nachwendezeit wach wurden. In den Fußball(fan)kulturen spiegelten sich diese gesellschaftlichen Dynamiken in den Jahren nach 2015 ebenfalls wider. Ohne Zweifel nimmt der Fußball in Deutschland in Sachen Willkommenskultur, Hilfsbereitschaft, Solidarität, Antirassismusarbeit und Integration eine Scharnierfunktion ein, weil er Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten in einem interkulturellen Aushandlungsraum zusammenführen kann. Faninitiativen, Ultragruppierungen und Fanprojekte kooperierten mit einer Vielzahl von ehrenamtlichen Institutionen und Wohlfahrtsorganisationen.

Viele Fußballanhänger*innen trugen in dieser Zeit nicht nur T-Shirts mit der Aufschrift „Refugees Welcome“, sondern zeigten bei der Konsolidierung und Verstetigung einer warmherzigen Willkommenskultur, die Beheimatung für die Migrationsprotagonist*innen in der Fremde erst ermöglicht, ein freundliches Gesicht. Der Blick auf die Fanszenen in anderen Ländern veranschaulicht, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Unterstützer*innen von Lech Posen und Legia Warschau präsentierten Plakate und Banner, auf denen „Refugees Not Welcome“ zu lesen war. Nationalistische und rechtsradikale Teile der Fanszene warnten in sozialdarwinistischer und verschwörungsideologischer Manier vor der unmittelbar bevorstehenden „Islamisierung Europas“. Als die Fans von Maccabi Tel Aviv im Jahr 2015 „Refugees Not Welcome“-Banner ausrollten, lies die Antwort des lokalen Stadtrivalen Hapoel nicht lange auf sich warten. Unter Rückbezug auf die multikulturelle Zusammensetzung des Staates Israel fragten die Fans von Hapoel Tel Aviv auf ihrem Transparent: „Wer ist hier kein Migrant?“ Diese internationalen Vergleiche sollen jedoch nicht den Blick auf die heterogenen Auseinandersetzungen in deutschen Fußballstadien vernebeln. Besonders in Zeiten, in denen die rechtsradikale Gruppierung „Riot 0231“ in der Dortmunder Fußballszene durch die Professionalisierung von Gewalt andersdenkende Fans einschüchterte und Bedrohungskulissen erzeugte, entbrannte der „Kulturkampf auf der Südtribüne“.

Linksliberal eingestellte Fans wurden unter Androhung von Gewalt dazu gezwungen, „Refugees Welcome“ Shirts auszuziehen und antirassistische Banner einzurollen. Auch wenn das Narrativ von einer vermeintlich unpolitischen Fußballkultur von verschiedenen Akteur*innen regelmäßig gepflegt wird – in einem Lied der rechtsextremen Band Kategorie C heißt es beispielsweise „Fußball ist Fußball und Politik bleibt Politik“–, so zeigt doch der solidarische Umgang mit den Geflüchtetendynamiken nach 2015 und erneut im Jahr 2022, dass die überwiegende Mehrheit der Fußball(fan)community eine klare politische Haltung ausgebildet hat: Refugees Welcome & Kein Fußball den Faschisten. 

 

 

Literatur:

Aydemir, Fatma & Yaghoobifarah, Hengameh (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. 10. Auflage. Berlin 2020.
 
Decker, Oliver et al. (Hg.): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland. 2. Auflage. Gießen 2016.
 
El-Mafaalani, Aladin: Das Integrationsparadox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt. 2. Auflage. Köln 2018.
 
Fritz, Fabian & Ziegler, Holger: „Kein Fußball des Faschisten“. Zum Projekt „Bildung am Millerntor“. Potenziale und Grenzen der politischen Jugendbildung und Demokratiebildung nach dem Lernort-Stadion-Modell beim Museum für den FC St. Pauli. In: Arnold, Patrick & Kotthaus, Jochem (Hg.): Soziale Arbeit im Fußball. Theorie und Praxis sozialpädagogischer Fanprojekte. Weinheim 2022, S. 174-187.
 
Foroutan, Naika: Die postmigrantische Gesellschaft. Ein Versprechen der pluralen Demokratie. Bielefeld 2019.
 
Kannankulam, John: Kräfteverhältnisse in der bundesdeutschen Migrationspolitik. Die Asyldebatte als Schlüsselereignis des schwerfälligen Wandels vom Gastarbeitsregime hin zu Managed Migration in der Bundesrepublik Deutschland. In: Forschungsgruppe Staatsprojekt Europa (Hg.): Kämpfe um Migrationspolitik. Theorie, Methode und Analyse kritischer Europaforschung. Bielefeld 2014, S. 93-112.
 
Pichl, Maximilian: Diskriminierung von Flüchtlingen und Geduldeten. In: Scherr, Albert et al. (Hg.): Handbuch Diskriminierung. Wiesbaden 2016, S. 449-463. 
 
Römhild, Regina et al. (Eds.): Witnessing the Transition. Moments in the Long Summer of Migration. Berlin 2018.

 

 

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