Sexismus

Kurzdefinition:

Sexismus bezeichnet die Diskriminierung von Menschen einzig auf Grundlage des Geschlechts. Insbesondere Frauen werden aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit traditionelle gesellschaftliche Rollenmuster zugeschrieben, die auf der Grundlage eines historisch gewachsenen, als natürlich verklärten und ideologisch begründeten Glaubens an Geschlechtshierarchie auch gegenwärtig konserviert werden.


Zitat:
„Sexismus ist an Macht und systematisch garantierte Privilegien gebunden, die Cis-Männlichkeit und Heterosexualität besitzen – und zwar im Unterschied zu Frauen* sowie homosexuellen, inter*sexuellen und trans*geschlechtlichen Menschen.““

(Arndt 2020: 24)


Erläuterung:

Sexismus hat in der Männerdomäne Fußball, die nicht selten als das letzte konservative Refugium des 21. Jahrhunderts bezeichnet wird, eine lange Tradition. Gegenwärtige Phänomene wie Mansplaining, Bodyshaming, Catcalling und weitere sexistische Varianten der Verachtung und Benachteiligung von Frauen reihen sich ein in eine Kontinuitätslinie der Diskriminierung, die im Fußball lange zurückreicht. Mit Spott und Hohn, den sich die Sportmoderatorin Carmen Thomas im Jahr 1973 wegen eines Versprechers im Aktuellen Sportstudio anhören musste, reagierten das männliche Publikum und die Boulevardpresse auf den „Fauxpas“. Die damalige Männerwelt stellte mit Genugtuung fest: Für Frauen ist im Fußball kein Platz. Zu erinnern sei hier ebenfalls an eine Eingebung von Gerd Müller, der 1975 verlautbarte, dass Frauen „an den Kochtopf gehören“. Auf dem Fußballfeld hätten diese nichts verloren. Der kleine historische Abriss endet natürlich im Jahr 1989. Für den Gewinn der Europameisterschaft erhielten die Spielerinnen der Frauennationalmannschaft als Erfolgsprämie ein Kaffeeservice. Neben Einkommensunterschieden und einer durch Geringschätzung geprägten medialen Aufmerksamkeit sind auch in der gegenwärtigen Fußball(fan)kultur sowohl Varianten der hegemonialen bzw. toxischen Männlichkeit als auch sexistische Verhaltensweisen präsent. Als Antwort auf einen starken weiblichen Fansupport am Hamburger Millerntor hielten die Fans von Dynamo Dresden im Dezember 2018 beim Auswärtsspiel in St. Pauli ein Spruchband hoch, auf dem zu lesen war: „Ihr müsst heute Abend hungern, weil eure F*tzen mit euch im Block rumlungern.“

Schalke 04 bestritt im Oktober 2021 ein Heimspiel gegen Dynamo Dresden. In Anspielung auf den Dynamo-Capo Stefan Lehmann, der hauptberuflich als Koch arbeitet, hatten die Fans von Schalke 04 ein Transparent vorbereitet, auf dem Folgendes zu lesen war: „Lehmi ist Koch, denn F*tzen gehören in die Küche.“ Im Fokus dieser sexistischen und misogynen Praxen der Cis-Männerwelt stehen nicht nur traditionelle weibliche Werte- und Klischeebilder, sondern ferner die übergriffige Gleichsetzung der Frau mit dem weiblichen Geschlechtsorgan. Damit einher gehen Phänomene im Fußball, die auf ein phalluszentriertes und testosterongesteuertes Denken und Handeln bei männlichen Akteuren zurückzuführen sind. Die starke Fixierung auf Geschlechtsorgane, die vorgeblich für Erfolg oder Misserfolg ins Feld geführt werden, ist auch in der mediale Öffentlichkeit immer wieder ein Thema.

Mit einer Portion Selbstironie entwickelte die Fußballnationalmannschaft der Frauen gemeinsam mit einem Sponsor für die Weltmeisterschaft in Frankreich im Jahr 2019 einen Videoclip, mit dem ein proaktiver Umgang mit sexistischen Vorurteilen gegenüber Frauen im Fußball angestrebt wurde. Gleich nach dem Motto: „Wir brauchen keine Eier, wir, wir haben Pferdeschwänze.“

 

Literatur:

Arndt, Susan: Sexismus. Geschichte einer Unterdrückung. München 2020.

Botsch, Kerstin: Kein Sommermärchen: Sexismus im Fußball. In: Freiburger Zeitschrift für Geschlechterstudien 23 (2009), S. 99-115.

Connell, Raewyn: Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. 4. Auflage. Wiesbaden 2015.

Degele, Nina: Fußball verbindet – durch Ausgrenzung. Wiesbaden 2013.

Degele, Nina: „Ich dusch nur mit dem Arsch zur Wand“: Verletzungsmacht und Verletzungsoffenheit als simultane Konstruktion von Heteronormativität. In: Waine, Anthony & Naglo, Kristian (Hg.): On and Off the Field. Fußballkultur in England und Deutschland / Football Culture in England and Germany. Wiesbaden 2014, S. 85-104.

Degele, Nina & Janz, Caroline: Hetero, weiß und männlich? Fußball ist viel mehr. Berlin 2011.
 
Kortendiek, Beate et al. (Hg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden 2019.

Sabisch, Katja et al. (Hg.): Zeitschrift für Fußball und Gesellschaft 3/1 (2021). Schwerpunktthema: Geschlecht und Fußball.

Selmer, Nicole: Watching the boys play. Frauen als Fußballfans. Kassel 2004.
 
Sülzle, Almut: Fußball, Frauen, Männlichkeit. Eine ethnographische Studie im Fanblock. Frankfurt am Main 2011.

 

 

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