Queerfeindlichkeit

Kurzdefinition:

Queerfeindlichkeit meint die Diskriminierung und Ausgrenzung andersgeschlechtlicher und als queer gelesener Menschen. Dabei avanciert die Heterosexualität zur Normvorstellung und andersgeschlechtliche Menschen, wie z.B. homosexuelle Menschen und Mitglieder der „LGBTIQA+“-Community, werden stigmatisiert.


Zitat:
„Der Begriff queer kommt aus dem Amerikanischen. Er wurde zunächst geprägt, um vom Wort homosexuell abzurücken. Denn das sex in der Bezeichnung homosexuell stellt einseitig das Sexuelle in den Vordergrund. Dagegen legen Schwule und Lesben die Betonung stärker in der Selbstbestimmung ihrer Identität auf ihre allgegenwärtige Unterdrückung und ihre selbstbestimmten Gemeinschaften und Kulturen. Sie bevorzugten zunächst die Bezeichnung ›Homophile‹, dann ›Schwule‹ (gay) und ›Lesben‹ (lesbian), bis sich schließlich heute das Wort queer durchgesetzt hat. Damit sollte die Reduktion auf das gesellschaftliche Homosexuellen-Stereotyp vermieden werden, die Stigmatisierung als lediglich sexuelle Wesen.“

(Hieber 2012: 63)


Erläuterung:

Ohne Zweifel ist der Fußballsport mit seinen Fankulturen ein Aushandlungsraum, in dem sexuelle Identitäten und Geschlechtszugehörigkeiten nicht selten konfliktiv zur Debatte stehen. Diskriminierungen von Menschen, die sich als Teil der queeren Community verstehen, sind auf und abseits des Feldes sowie im Internet an der Tagesordnung. In Form von Beleidigungen, Schmähungen und Abwertungen werden Menschen wegen ihrer Queerness oder ihres vorgeblich nicht in die binären Kategorien einer heteronormativen Gesellschaft passenden Geschlechts bzw. ihres äußeren Erscheinungsbildes ausgegrenzt. Diese Variante der Diskriminierung wird nicht nur in der Diskussion über regenbogenfarbene Stadionbeleuchtung bzw. Armbinden oder im Umgang mit dem Coming-out des englischen Fußballprofis Jake Daniels sichtbar. Die moralische Dämonisierung und Stigmatisierung von homosexuellen Praktiken und Transgenderpersonen dient den konservativen Kräften im Fußball zur Legitimierung ihres puristischen Wertekanons. Diesem Kanon liegt ein heteronormatives Gesellschaftsverständnis zugrunde, in dessen Zentrum heterosexuelle und verheiratete Paare stehen.

Queere Menschen, die von dieser Cisgender-Heteronormativität abweichen und hybride Mehrfachidentitäten für sich beanspruchen, werden diskreditiert, ausgegrenzt und als Gefahr für die Gesellschaft zur Darstellung gebracht. Beim letzten Gruppenspiel während der Fußballeuropameisterschaft der Männer am 23.06.2021 spielte Deutschland gegen Ungarn. Die nach München angereisten Ultras der Carpathian Brigade intonierten Gesänge wie „Deutschland, Deutschland, homosexuell“. Darüber hinaus wurden Banner mit der Aufschrift „LMBT? Nein, Danke!“ gezeigt. Diese gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transpersonen gerichteten queer- und homofeindlichen Praktiken kulminierten in einem Banner mit einem durchgestrichenen Verbotszeichen, das zwei Männer beim Sex zeigen soll. Das Fußballgroßereignis wurde von diesen Akteuren zielgerichtet genutzt, um auf einer globalen Ebene Vorstellungen von Gayrop, Homonationalismus, traditionellen Werteorientierungen und rechtsnational-populistischen Identitätspolitiken zu inszenieren.

Die Antwort sowohl auf die Diskriminierungen seitens der Ultragruppierung während des Spiels als auch auf die im Vorfeld von der ungarischen Regierung erlassenen queer- und homofeindlichen Gesetzesänderungen lieferte Leon Goretzka in der 84. Minuten. Nach dem Ausgleichstreffer formte er vor dem schwarzen Block seine beiden Hände zu einem Herz. Dieses Statement für mehr Akzeptanz gegenüber pluralen geschlechtlichen Identitäten und für die Anerkennung von sexuellen Vielfaltsdimensionen ging über Social Media viral unter dem Slogan „Spread Love“.
 

Literatur:

Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main 1991.
 
Degele, Nina & Janz, Caroline: Hetero, weiß und männlich? Fußball ist viel mehr. Berlin 2011.
 
Gössl, Martin J.: Schöne, queere Zeiten? Eine praxisbezogene Perspektive auf die Gender und Queer Studies. Bielefeld 2014.
 
Gössl, Martin J.: Unbehaglich Queer. Das ernste Spiel mit der Anerkennung. Bielefeld 2021.
 
Heissenberger, Stefan: Schwuler* Fußball. Ethnografie einer Freizeitmannschaft. Bielefeld 2018.
 
Hieber, Lutz: Queer Studies. In: Moebius, Stephan (Hg.): Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung. Bielefeld 2012, S. 63-87.
 
Kleinau, Elke et al. (Hg.): Gender in Bewegung. Aktuelle Spannungsfelder der Gender und Queer Studies. Bielefeld 2013.

 

 

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