Forschungsprojekt zu türkischem Ultranationalismus im (Amateur-)Fußball in
NRW nimmt Arbeit auf.
Bochum, Dezember 2024:
Seit dem 01.07.2022 besteht die Möglichkeit, Diskriminierung im Fußball anonym über das Meldeportal www.medif-nrw.de zu melden. Im Rahmen von diesem Angebot sind im Erhebungszeitraum über 1200 Meldungen zu verschiedenen Vorfällen im Profi- und Amateurfußball eingegangen.
Eine bereits zum jetzigen Zeitpunkt sichtbar gewordene Leerstelle ist das immense Dunkelfeld bezüglich der Aktivitäten von türkischen Ultranationalisten, die den Amateurfußball als Wirkungsfeld gleichermaßen nutzen wie Länderspiele der türkischen Nationalmannschaft.
Das Meldeportal in Trägerschaft der sozialpädagogischen Fanprojekte in Nordrhein-Westfalen wird in Kürze um eine weitere Diskriminierungskategorie – den türkischen Ultranationalismus – erweitert. Anlass für diese Ausweitung ist der Beginn des 13-monatigen Forschungsprojektes „Türkischer Ultranationalismus im Amateurfußball in NRW“.
Nicht zuletzt während des Gastspiels der türkischen Nationalmannschaft am 18.11.2023 in Berlin konnte beobachtet werden, wie türkisch-nationalistische Codes im Stadion sowie der TV-Übertragung vollkommen unwidersprochen den Weg in die Öffentlichkeit fanden. Es ist anzunehmen, dass im Rahmen der anstehenden Europameisterschaft, die kommendes Jahr in Deutschland ausgetragen wird, ähnliche Vorfälle stattfinden werden. Die Vorrundenspiele der türkischen Nationalmannschaft werden in Dortmund und in Hamburg ausgetragen und durch das Projekt im Rahmen eines Monitorings begleitet.
Dass türkischer Ultranationalismus – besser bekannt unter dem Stichwort „Graue Wölfe“ – längst im Fußball in Deutschland angekommen ist, zeigen nicht nur Schlagzeilen rund um den ehemaligen deutschen Nationalspieler Mesut Özil, der jüngst seine Reichweite in den sozialen Medien genutzt hat, sich mit dem Zeigen eines Tattoos eindeutig faschistisch zu positionieren.
Auch in den Amateurvereinen lassen sich zunehmend Tendenzen hin zum türkischen Nationalismus beobachten. Um dieses Themenfeld und die daraus resultierenden Konflikte in einen sozialwissenschaftlichen Blick zu rücken, verfolgt das von der Landeskoordinationsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus in NRW geförderte Forschungsprojekt das Ziel, die bestehende Forschungslücke zu schließen. Dafür wird unter anderem eng mit der Ruhr-Universität Bochum (Dr. David Johannes Berchem) sowie der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus kooperiert.
Weiter hat das Projekt zum Ziel, das gewonnene Wissen aufzubereiten und in Form von Workshops, Fachtagen und Handlungsempfehlungen an Vereins- und Verbandsfunktionär*innen, Sozialarbeiter*innen, politische Entscheidungsträger*innen und Fußballinteressierte weiterzugeben.
Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie unter:
www.medif-nrw.de und
rostek@lag-fanprojekte-nrw.de
O-Töne zur freien Verwendung:
O-Töne zur freien Verwendung:
Janina Rostek, MA Sozialwissenschaften (Projektleitung Forschungsprojekt):
Was der Fußball für eine starke soziale Kraft besitzt, zeigen Fußballevents kontinuierlich. Diese Events haben das Potenzial, wichtige soziale Fragen in den Fokus von Sport und Fußball im Spezifischen zu rücken. Spätestens wenn Amateurfußballvereine in den Blickwinkel geraten, sobald es um Fragen der Rekrutierung und Agitation von jungen Menschen seitens rechtsextremer Strukturen und Gruppierungen geht, sollte uns klar werden, dass Forschungsprojekte wie dieses dringend notwendig und berechtigt sind. Diese soziale Kraft, die dem Fußball innewohnt, birgt aber auch Chancen, demokratische und diskriminierungskritische Werte zu vermitteln. Das im Forschungsprojekt erworbene Wissen wird dann sukzessive praktisch zur Anwendung gebracht und bietet somit einen elementaren Mehrwert für alle Netzwerke im Fußball.
Patrick Arnold, Diplom Sozialarbeiter (Projektträger, LAG Fanprojekte NRW):
Gerade hinsichtlich der anstehenden Fußballeuropameisterschaft der Herren im kommenden Sommer wollen wir mit dem Projekt das Phänomen „Rechtsextremismus im Fußball“ ganzheitlich erfassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Länderspiele der türkischen Nationalmannschaft immer wieder dafür genutzt wurden, um unverhohlen ultranationalistische politische Botschaften im öffentlichen Raum zu zeigen. Dadurch, dass zwei Spiele in Nordrhein-Westfalen stattfinden, ist es unsere Aufgabe, möglichst früh zu sensibilisieren und über beispielsweise die Verwendung von Codes vorab zu informieren und Vorfälle insgesamt zu dokumentieren.